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Abseits!

 

Statt einer Kolumne

 

Liebe Gemeinde, die wöchentliche Kolumne, die von drei bis acht Lesern sicherlich sehnlichst erwartet wird und hier ihren angestammten Platz hat, fällt dieses Mal aus. Der Grund dafür ist in einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Autors zu sehen, die es ihm verunmöglichte, klaren Gedankens an seine treuen Leser zu schreiben. Ich möchte Euch über diese schändliche Indisponiertheit allerdings umfassend und so offenherzig als möglich unterrichten. Exhibitionisten und wir Ossis machen das so. Wir reden sogar über Geld.

Ich bin, soviel vorweg, ein gesunder Mann von etwa knapp über der Hälfte von Mitte dreißig. Also 38, um ganz genau zu sein. Eigentlich erfreue ich mich eines äußerst funktionalen Körpers mit allem Drum und Dran. Es gibt da nichts zu entbehren oder an meiner lieblichen Erscheinung auch nur das Mindeste auszusetzen. Ich verfüge sozusagen über die naturgelieferte Vollausstattung. (An dieser Stelle soll sich meine humanistische Bildung bezahlt machen und Vollausstattung näher definieren: Gustave Flaubert, der Autor von Madame Bovary, also der größte Frauenversteher aller Zeiten, schrieb einmal: "Da, wo der Mann etwas Erhabenes zwischen den Beinen hat, hat die Frau nur ein Loch".) Ich bin also einigermaßen vollständig. Auch mein Erhabenes funktioniert, schließlich habe ich einen kleinen Sohn. Das hoffe ich jedenfalls. Andernfalls wäre ich sehr traurig, weil mein Erhabenes vielleicht doch nicht funktioniert. Über das falsche Kindlein natürlich auch.

Es lässt sich sagen, dass ich meinen Astralleib schon ziemlich lange kenne, wir sind ja nun bald vierzig Jahre täglich zusammen. Doch ei der Daus, am Samstagmorgen muckte mein Corpus merklich auf. Ich wollte eigentlich meiner Bettstatt entsteigen, was ich annähernd jeden Morgen so handhabe. Ich schwang also atlethisch und frohgesinnt das linke Bein, ein besonders schönes, aus dem Sündenpfuhl, um nackten Fußes den Boden vorm Bett zu erreichen. Bei mir in der Wohnung gibt es überall Boden, ich wollte aber genau auf den vorm Bett treten. Erfahrungsgemäß macht sich das besser. Mein linkes Bein, das schöne, ist übrigens immer das erste, was rausmuss. Rechts von der Kiste ist die Wand im Schlafgemach, das rechte Bein, übrigens auch sehr ahnsehnlich und schön, kann also nicht. Nun, ich schwang also - und musste gleichzeitig niesen. Dagegen ist eigentlich nicht viel zu haben. Doch während ich schwang und nieste - was soll ich sagen - verriss es mir offenbar die Statik meines beneidenswerten Anatomie-Gebäudes. Entweder war mir eine Bandscheibe aus der Wirbelritze geknallt wie die Kalotte aus dem Chassis der Box, wenn man den Verstärker zu weit aufdreht; oder ein Muskel dachte, der Nieser wäre das Signal für eine rhythmische Bewegung und hat angefangen, sich unaufgefordert zu kontrahieren. Das macht mein Erhabenes übrigens manchmal auch, hat aber gewöhnlich andere Folgen; oder ein Nervenstrang hat gedacht, er müsste sich irgendwo mal klemmen, damit sein Besitzer ordentlich La Paloma pfeift. Was er auch tat. Ich sackte zurück in die Lümmelgrube und lag fortan da wie ein Hering, der die Flut verpasst hat und sich wundert, wo das Meer abgeblieben ist. Ich fragte mich umgehend, was wohl passiert wäre, hätte ich mal pupsen müssen. Die Frage war obsolet. Ich musste ja nicht pupsen, sondern niesen. Die Pups-Erörterung konnte ich mir also sparen. Aber, was nun? Solche Havarien passieren immer am Wochenende. Nie in der Woche, wenn man noch zur nächsten Praxis irgendeines verständigen Schamanen robben könnte. Als typischer Mann neige ich nicht dazu, ein Zipperlein, egal welcher Art, länger auszuhalten. Von Schnupfen bis Klemmungen jedweder Art - alles astreine Notfälle, die dringlichst behandelt gehören. Schließlich geht's einem ans Leben. Der Kurpfuscher meines Vertrauens pflegte übers Wochenende allerdings seine Kleingarten-Klitsche irgendwo im ländlichen Raum und hat Spargel gezupft oder sich den Zapfen gestrichen, was weiß ich. Er war nicht da und somit nicht in Bereitschaft, meines Notfalles gefälligst zu harren. Daraufhin pfiff ich meine Freundin nebst unseres gemeinsamen Schrapsels heran und erklärte umschweifend meine Notlage, auf die jetzt angemessen zu reagieren sei, um meine heldenhafte Haltung, die ich bisher titanisch gewahrt hatte, nicht länger aufs Äußerste zu strapazieren. Außer hilflosen Knetversuchen im rückwärtigen Bereich meiner statuenhaften Erscheinung und dem Angebot eines Kamillentees mit Ibuprofen war aber nicht viel. Das Mindeste, was ich erwartet hätte, wäre das Herbeirufen eines Rettungshubschraubers aus der nächstgelegenen Universitätsklinik gewesen samt Chefarzt und Spezialisten der verschiedenen Disziplinen vom Hautarzt bis zum Herzchirurgen. Pustekuchen. Ich musste das Martyrium ganz allein bestehen und auch noch Anweisungen geben, wie der blöde Kamillentee, der jetzt nur noch als einzige Notfallmaßnahme zur Verfügung stand, zubereitet zu sein hätte. Das Luder hätte mir nicht mal Honig reingemacht! Kurz und gut: Ich hatte bis Montag früh furchtbarste Qualen zu leiden und musste mir darüberhinaus auch noch sagen lassen, dass es möglicherweise ernsthaftere Malaisen geben könnte als mein geschundener Rücken. Frechheit! Jedenfalls, am Montag ist mir eine Spritze in die Anatomie gefeuert worden, und nun geht es wieder. Ob sich meine Freundin von meiner Beeinträchtigung erholen wird, weiß ich nicht. Keinesfalls war ich aber im Stande, liebe Gemeinde, um Euch diese Woche ein paar Zeilen für die Abseits!-Kolumne zu verfassen. Ich hoffe, Ihr habt ein genau so großes Verständnis dafür wie Mitgefühl für meine schlimme Lage am Wochenende.

 

Liebe Gemeinde, ich wünsche Euch dennoch eine fabelhafte Woche und grüße Euch alle herzlich, diesmal als Schwerstversehrter.

Euer Sanja