Zum ersten Mal wirklich bewusst gekickt habe ich mit meinen Brüdern und meinen beiden Onkeln in Prellenkirchen (dieser Ort liegt im östlichen Niederösterreich, fast an der Grenze zur Slowakei und zum Burgenland) am Sportplatz. Damals musste ich nichts anderes tun, als die Stanglpässe der Mitspieler zu verwerten. Ein 5-6 jähriger war damals damit wirklich überfordert, die Pässe eines Torhüters des SC Prellenkirchen, eines weiteren, pfeilschnellen Onkels, jedoch ohne technischem Talent, sowie einem so gut wie gar nicht interessierten Bruder und einem weiteren Bruder, der stets im Rampenlicht stehen wollte, zu verwerten.
Einmal war ich im 16er als Onkel Peter außerhalb des Strafraumes mal einen Mörderschuss Richtung Tor losließ, wo aber ich eindeutig im Weg stand und folglich nicht schnell genug reagierte. Ich kann den Ball heute noch auf mich zufliegen sehen. Er traf mich mit solch einer Wucht, dass mir sogar mein Hörgerät herausfiel (das ist mir bei einem Match danach allerdings nie wieder passiert). Ein weinender Werner, sowie ein Elfmeter für meine Mannschaft waren damals die Folge (ausgesprochen vom Goalie und gleichzeitigem Schiedsrichter, meinem Bruder Robert). Schon damals habe ich nicht verstanden, warum da jetzt ein Elfer war, denn ich war eigentlich selbst schuld, weil ich nicht schnell genug reagiert habe und einfach, anstatt in Deckung zu gehen, kerzengerade stehenblieb. Mein Onkel hatte damals zum einzigen Mal lautstark gegen das Urteil des Schiedsrichters protestiert, ohne Erfolg. Jedenfalls kann ich mich daran erinnern, dass Niki damals den Strafstoß ins Tor getroffen hatte. Kaum war das geschehen, wollte ich auch schon wieder mitspielen.
Einmal spielten auch Freunde von meinen Eltern (mit denen ich dann und wann in der Heimatstadt am Stadionparkplatz kickte), sowie auch mein Vater selbst mit. Endlich konnten wir mal ein richtiges Match spielen. Es war ein unvergesslicher Tag, wo der Spaß nicht zu kurz kam, jeder lachte hier über die Fehler und Schwächen der anderen.
Es war mein Bruder Niki, der mal die Idee hatte, als mein Trainer zu fungieren. Er und ich sollten Freistöße üben und Onkel Peter stand im Tor. Seine Aufgabe war es, uns zu sagen, was gut war oder woran wir noch arbeiten müssen. Warum ich mich damals stur stellte und nicht mitmachen wollte, sondern stattdessen weinend nachhause lief, ist mir heute ein Rätsel. Ich bin mir sicher, die beiden haben es gut gemeint und im Nachhinein tut mir das unendlich leid.
Ein anderes Mal spielten wir bei strömenden Regen, der Platz war völlig matschig. Das Grätschen machte unheimlich viel Freude bei diesem Wetter, denn mit vollem Einsatz konnte man hier bis zu gefühlten 10 Meter rutschen (ob nun absichtlich oder nicht war uns herzlich egal). Meine Eltern, die uns an diesem Abend von unseren Onkeln abholen kamen, warteten bei diesem sagenhaften Wetter schon stundenlang im Auto und waren beim Anblick unserer Kleider noch weniger erfreut. Ich kann mich nicht erinnern, jemals wieder so schmutzig nach Hause gekommen zu sein. Den zornigen Blick meiner Mutter an diesem Tag werde ich niemals vergessen, auch wenn wir uns damals ein Lächeln nicht verkneifen konnten.
Ich habe diese unzähligen Sommertage wirklich geliebt, wenn wir vom Haus Richtung Sportplatz zum Hintereingang marschierten, den Hang runter zum Türl, wo Brennnesseln, größer als ich selbst, lauerten. Anfangs hatte ich vor diesen Pflanzen eine riesige Angst, aber einmal durchgegangen (und die Lehre meiner Eltern, dass Brennnesseln die Durchblutung fördern), und schon war der Spuk vorbei.
Wenn wir noch Zeit hatten und nach dem Besuch unserer Onkeln noch in die Nachbarortschaft Hundsheim zu unseren Großeltern fuhren, gingen wir damals beizeiten auch in Hundsheim auf den Sportplatz kicken. Die Eisler-Buam kickten dort manchmal auch mit uns, ich kann euch sagen: Hundsheim hat meiner Meinung nach keine guten Kicker in meinem Alter. Das ist aber auch kein Wunder, vor ihren Füßen liegt auch ein Tennisclub, und noch wichtiger: die Hundsheimer Berge, die für Kinder ein einziges Paradies darstellen. Fußball ist dort, mit Ausnahme des kleinen Gastspiels in der Regionalliga, eigentlich so was wie eine Randsportart. Ich habe gehört, dass Niki dort ein Angebot bekam, weil sie keine eigenen Spieler und kein Geld mehr hatten, nachdem der Sponsor dort ausstieg und Hundsheim somit den Zwangsabstieg inne hatte. So etwas nenne ich wirklich erbärmlich für eine 500 Seelenortschaft, die das Zeug hatte, in der 2. Bundesliga zu spielen, wenn man nur das Stadion ein wenig ausgebaut hätte. Die Kosten hätten sich mit den Spielen in der Bundesliga längst gedeckt. Ich traue mich auch wetten, dass sie in Europa irgendwann auch für Furore gesorgt hätten. Wo sonst spielt ein so kleiner Ort gegen die Legenden aus der Bundesliga, was glaubt ihr, wie viele Prominente erst in der Bundesliga für diesen Verein gekickt hätten, vom Sponsoring brauchen wir erst gar nicht reden? Schade drum, ich war am Überlegen, wenn ich mal groß bin, es dort zumindest mal zu versuchen. Aber daraus wurde leider nichts und ich werde es auch nie machen – das hat nicht zuletzt private Gründe, auf die ich nicht näher eingehen werde und möchte.
Ich möchte diese Anfangszeit jedoch um keinen Preis vermissen, legte sie doch den Grundstein ab, für das, was noch alles folgen wird in dieser Geschichte. Es ist wahrlich wie ein Märchen, das wirklich jeder realisieren kann, wenn man sich dafür tief und innig interessiert und sein Ziel, Fußballer zu werden, niemals aufgibt.
Leider nahmen unsere Sommerausflüge aus familiären Gründen noch in meiner Kindheit ein frühes Ende. Ich würde mir aber wirklich sehnlichst wünschen, wenn wir noch einmal alle gemeinsam in Prellenkirchen kicken gehen und lachen können wie früher.