Im Jahre 2000 zog ich also in meine erste Wohnung im 11. Wiener Gemeindebezirk Simmering (dass von dort auch Legenden hervorkamen wie ein Prohaska oder Polster erfuhr ich erst viel später aus deren Biografien).
In der Zwischenzeit war ich in der HAK ein Jahr in die Schule gegangen und hatte eine Glaserlehre hinter mir, wo der Fußball immer uninteressanter wurde und ich damit so gut wie gar nichts zu tun hatte.
Lange Jahre hatte ich mich nicht sonderlich für Fußball interessiert, sondern eher für Rapmusik und Frauen, was an und für sich normal in einer Pubertät eines Jungens ist. Ich hatte in dieser Zeit auch angefangen, Lyrics zu schreiben und auch zu rappen. Dieses Hobby begleitet mich noch heute. Überhaupt der Fußball interessierte mich zu dieser Zeit gleich null. Bis ich eines Tages beim Zentrum Simmering bei strömenden Regen auf den Bus wartete, der bei mir zu Hause hielt. Dort stand neben mir ein freundlicher Junge, der mich fragte, ob ich denn nicht eine Zigarette für ihn habe. Wir kamen ins Gespräch mit dem Thema Fußball und Frauen natürlich, was uns dazu bewegte, dem Regen zu trotzen und zu Fuß nachhause zu gehen. Wie es der Zufall wollte, wohnte Alban, so der Name des Jungen, im Nachbarhaus. Er erzählte mir, dass er schon als 10 jähriger bei der Austria- und Rapidjugend gespielt hat (was stimmte, er zeigte mir seine Dressen beider Mannschaften) und eigentlich erst als 16jähriger aufgehört hatte zu kicken, weil ihn die Frauen weitaus mehr interessierten als der Ball.
An dieser Stelle möchte ich meinen Unmut über die Förderung des österreichischen Leistungssports vom ÖFB loswerden. Warum gibt es so viele Jugendliche, die sagenhaft kicken können und es deren Trainer aber nur interessiert, dass sie brav mittrainieren. Alles was nach den Matches oder Trainings passiert, juckt niemanden mehr. Warum ist das so? In Spitzenteams bekommt ein Spieler eine saftige Geldstrafe und die Ersatzbank aufgebrummt, wenn man sich daneben benimmt. Fußballer sind für andere Menschen schlicht und einfach Idole und Vorbilder. Wer sich nicht vorbildlich verhält, sollte zurechtgewiesen werden. Wem das immer noch nicht passt, der hat es nicht verdient, als Vorbild angesehen zu werden (Seitenhieb auf einen jungen Arnautovic). Meine Meinung zu den Jugendlichen Spielern: macht’s das auch mit ihnen. Zwar nicht in so einer Form wie die Profis, aber lehrt ihnen auch Respekt und richtiges Verhalten. Nicht bloß den tödlichen Pass, sondern auch Konsequenzen, wenn es in der Öffentlichkeit nicht so gut läuft. Unterstützt diejenigen, die soziale Hilfe benötigen. Viele Ghettokids würden deren Familien einen Haufen Geld nachhause bringen, wenn man ihnen den richtigen Weg auch zeigt. Durchgehen müssen sie sowieso selbst, aber zeigt ihnen den Weg um Gottes Willen, denn die Gabe, auf einem Rasen mit dem Ball tricksen zu können, die haben wirklich nicht viele. Und außerdem: sie alle sind in der Pubertät, habt ihr schon vergessen, wie schnell man sich da für etwas Interessanteres entscheiden kann, nur um im Nachhinein zu wissen, dass es einem um diese Entscheidung irgendwann einmal leidtun wird? Alban zum Beispiel hat das am eigenen Leib erleben müssen, als er nur 3 Jahre Pause vom Profifußball machte und danach keine überragenden Angebote mehr bekam, sondern sich erst selbst wieder hocharbeiten musste. Ich, als Außenstehender, wünsche so etwas natürlich niemanden.
Auch er hatte ein Faible für Rapmusik, und so kam es, dass er eigentlich fast täglich bei mir auf Besuch war, nachdem er im 10. Bezirk bei seinen Freunden war und noch kurz bei mir vorbeischauen wollte. Wir hatten wirklich immer etwas zu reden, meistens über irgendwelche Verschwörungstheorien, Frauen, Rap, aber auch über Fußball selbst.
Ich hatte Alban lange gebeten, doch mal mit mir in den Park zu gehen und ein bisserl zu kicken. Schließlich an einem warmen Frühlingstag ließ er sich dazu bewegen, mir seine Künste zu zeigen. Ich muss auch hier sagen: dieser Junge, der sich so extrem davor gedrückt hatte, mit mir zu spielen war ein hochgradiger Rohdiamant für den österreichischen Fußball, der seine Karriere eigentlich selbst zerstört hat, indem er einfach aufgehört hat, Spaß an der Kickerei zu haben.
Was er mir an diesem Tag an Tricks gezeigt hat, ist schier unglaublich und nur ein Bruchteil von Fußballern beherrscht heute das Ballgefühl, wie er es hatte. Ich hatte in der halben Stunde, wo wir spielten nicht den Hauch einer Chance, ihm den Ball irgendwie abzunehmen. Danach hatten wir noch Tor-zu-Tor gespielt, so nennt man bei uns Torschüsse vom anderen Tor aus geschossen. Er meinte danach, an meiner Technik muss ich noch eine Menge arbeiten, aber einen Schuss habe ich schon drauf, für das, dass ich jahrelang Pause vom Kicken gemacht hatte.
Er war ein gelernter Stürmer, der schon in der Schülerliga für Wirbel sorgte und so manch Spieler der Nationalmannschaft bereits als Kind kannte und wusste, wie sie spielen, sowie welche Spielzüge sie machen, noch bevor sie das tatsächlich auch taten. Mit Alban Bundesliga schauen im Fernsehen war für jemanden wie mich ein Segen. Der Junge hatte irrsinnig viel Ahnung vom Fußball, von ihm konnte ich nur profitieren.
Ich bedankte mich für die Lorbeeren für meinen Schuss und so kam es, dass ich ihn überredete doch wieder anzufangen zu spielen, wenn ich es auch versuchte, was wir dann auch taten. Er spielte dann noch beim FavAC, Ostbahn XI, hatte Angebote von DSV Leoben und Schwadorf (kurz vor ihrem Höhenflug) etc. und es ehrte mich gewaltig, als er immer zu mir kam und mich fragte, ob er dieses oder jenes Angebot annehmen soll. Er nahm mich ebenfalls einmal mit zu einem Spiel im FavAC – Stadion (welches übrigens nett ist). Er wurde eingewechselt in der 2. Hälfte und schoss mit seiner allerersten Aktion ein atemberaubendes Tor: er bekam an der Mittellinie den Ball zugespielt, ließ mit einem coolen Trick gleich 2 Verteidiger stehen und hämmerte den Ball dann unhaltbar am Goalie vorbei ins Tor. Dass sein Trainer diesen Mann nicht in die Stammformation beförderte, wundert mich heute noch. Aufgrund privater Differenzen trennten sich unsere Wege nach Jahren, als ich nach Schwechat zurückzog. Eines hat er mir auf jeden Fall mitgegeben: den Glauben an sich selbst, und immer das zu tun, was man im Leben tun will.
So startete ich fast zeitgleich mit ihm meine Karriere und damit die Rückkehr zum Fußball, welche im nächsten Kapitel beschrieben wird.
Alban hatte sich übrigens erst vor kurzem bei mir telefonisch gemeldet, es gehe ihm gut und er spielt beim SV Schwechat (Regionalliga ist schon sehr gut für jemanden, der jahrelang pausiert hatte. Mich persönlich freute es umso mehr, dass es gerade Schwechat war, weil ich wusste, dass dort sehr oft Spione aus den Bundesligen zu Gast waren) ein paar Probetrainings und es gefällt ihm dort sehr gut. Ob er tatsächlich dort geblieben ist, oder ob er überhaupt noch aktiv spielt weiß ich leider nicht. Es wäre aber gut zu erfahren, wie er sich momentan durchs Leben durchkämpft.
Diese Geschichte hat mich gelehrt, dass aus einer Vision Realität werden kann, wenn man nur an sich selber glaubt. Wenn man dazu noch jemanden hat, der dir hilft, diese Vision wahr werden zu lassen, ist der Rest eigentlich ziemlich einfach. Alban war für mich ein Gradmesser, ein wahrer Segen für meine Karriere. Ohne ihn hätte ich vielleicht gar nicht mehr (oder viel zu spät) angefangen, Fußball zu spielen und ich kann ihm dafür, dass er mit mir den Weg gegangen ist, gar nicht genug danken, auch wenn uns unsere Wege (wir würden sagen: Schicksal kann man sich nicht aussuchen) getrennt haben. Ab und zu wäre es aber doch schön, wenn wir uns wieder auf ein Flascherl Lipton-Eistee treffen könnten. Zumindest von meiner Seite aus gesehen.