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Hauptsache Olympia - Kapitel 8

 

Kapitel 8: Abschied nehmen (oder: die Begründung des Wechsels)

Zuerst mussten wir natürlich unser gesamtes Trainingsprogramm über den Haufen werfen und Ballgefühl, Zweikämpfe, Kopfbälle, Standardsituationen etc. üben. Unser Trainer Michi und natürlich auch die Mannschaft selbst sahen überhaupt nicht ein, dass so ein Wahnsinnsdebakel noch einmal vorkommen wird.

In dieser Zeit verließen uns wirklich viele Spieler, da sie dementsprechend unzufrieden waren mit der Vorgangsweise des Trainings. Es war ihnen nicht übel zu nehmen, sie kickten mit uns bloß aus Spaß,  zur Freizeitbeschäftigung oder es wurde ihnen sprichwörtlich zu bunt. Michi hatte ein schlaues Auge für das korrekte Einsetzen seiner verbliebenen Spieler. Wenn er sagte: „ab jetzt bist du Stürmer!“ dann ging kein Weg daran vorbei und ich muss ehrlich dazu sagen, dass er zu 100% wusste, was er da von uns verlangte. Er behielt stets Recht, wenn es um Veränderungen auf den Positionen gab, was in seinem Fall überhaupt nicht leicht war, nachdem uns so gut wie die halbe Mannschaft verließ. Von daher ziehe ich meinen Hut vor der Leistung, die er in den paar Jahren wo er bei uns war, vollbrachte. Viele ehemalige Spieler haben mir erzählt, dass Michi kein guter Trainer ist. Dem muss ich leider widersprechen, denn ich war schon vor Michis Zeit beim MHSC und habe mit eigenen Augen erlebt, wie er dem Verein ein neues Gesicht verpasste, bessere Ergebnisse lieferte und nicht zuletzt auf seine menschliche Art gegenüber den Spielern punktete. Es erfordert unglaublich viel Ehrgeiz, diesen Job auszuführen, gleichzeitig (in seinem letzten Jahr hat er das gemacht) die Vereinsführung zu übernehmen und des Weiteren sein Studium abzuschließen, sowie selbst in einem Verein zu kicken. Außerdem war der Michi auch privat für uns da, ich kann mich an 2 Stadionbesuche im Hanappi inklusive seiner Lebensgefährtin (und treuen Helferin) Larissa erinnern. Unser Kapitän Roman und seine Freundin Nicole waren mit ihnen außerdem schon in der Soho – Bar im Millenium Tower Wien. Michi war ein wirklich sozialer Mensch, der auch privat für seine Spieler zur Stelle war, egal welches Problem man hatte.

Zurück zum eigentlichen Thema: nach der desolaten Vorstellung in Linz folgte im Dezember das traditionelle Adventturnier, das in einer Wiener Halle stattfand. Auch hier erreichten wir nur den 2. Platz. Vorarlberg war in die 2. Liga abgestiegen und wir hatten nun 2 echte Wiener Derbys in der Bundesliga zu bestreiten, auf das wir alle sehr hungrig waren. Wir spielten zuerst gegen „WAT Wien“, welche von uns regelrecht pulverisiert wurden, da ihr Kapitän Andy Fuler der letzte wirklich gute Spieler am Feld war. Er ist bereits zum „Team Wien“ gewechselt und heute fehlen ihnen daher gute Spieler (einer von ihren Spielern versuchte sogar, Spieler vom MHSC für den WAT abzuwerben). Viel Zorn und Ehrgeiz begleitete uns durch das ganze Turnier und es kam zum echten Finale gegen „Team Wien“. Diese Mannschaft, so muss ich sagen, bestritt auch internationale Turniere und hatte eine dementsprechend harte Gangart, wünschte sich den Titel „Wiener Hallenkönig“ genauso wie wir. Es war ein von Fouls geprägtes Spiel, welches wir  denkbar knapp mit 0:1 verloren. Nach dem Spiel bin ich zu deren Trainer gegangen und habe ihnen klargemacht, dass ich zwar nichts gegen diese Mannschaft habe, aber mit einer Rugby – Taktik werden sie sich hier keineswegs Freunde machen. Wir waren jedenfalls die Hallenmeister der Herzen, denn es gab kaum eine Stimme in dieser Halle, (sogar die WAT – Spieler waren dieser Meinung) dass das Ganze ziemlich unfair über die Bühne ging. Es war also wieder einmal eine Schmach für unsere Mannschaft.

Als Wiedergutmachung schenkte uns „Team Wien“ ein paar Wochen später ein Freundschaftsspiel vor heimischem Publikum, welches übrigens wieder verloren wurde, diesmal mit 1:2. Unser Tor habe ich noch sehr gut in Erinnerung, denn ich wurde an der Strafraumgrenze gefoult und durfte einen indirekten Freistoß treten. Diesen spielte ich sanft in Martins Lauf, der sogleich mit einer ungeheuren Wucht (und einer gehörigen Portion Wut Bauch wegen der Niederlage beim Adventturnier und seinem tiefen Hass Andy gegenüber, weil er uns seiner Meinung nach im Stich ließ. Heute weiß ich, dass das nicht so war) abzog. Der Tormann war chancenlos.

Im Frühjahr 2012 war dann die Hinrunde der österreichischen Meisterschaft im Kleinfeldturnier in Bludenz angesagt. Wir wussten, was uns dort erwartete und ich hatte schon eine leise Ahnung, dass wir dort als Letztplatzierte abschneiden werden. Gott sei Dank hat die Tiroler Auswahl abgesagt (weil sie keinen Trainer hatten) und so blieb uns von den 3 verbliebenden Mannschaften der undankbare 3. Platz, wenn auch zum ersten Mal zu erkennen war, dass die nachgerückten Spieler vom MHSC mit irre viel Herz bei der Sache waren. Wir liefen und kämpften wirklich am letzten Drücker, doch gegen eine immer noch überragende Linzer Auswahl und unserem mittlerweile zum Erzfeind mutierten „Team Wien“ war absolut nichts zu holen, auch wenn ich gegen die Wiener ein wunderschönes Tor erzielte, welches übrigens unser einziges war.

Nach dem Turnier hatte ich mich mit dem Trainer von „Team Wien“ versöhnt und wir sprachen unser erstes echtes Gespräch miteinander, was besser zu machen wäre, wo man bei uns ansetzen könnte und so weiter.

Auf der Heimreise wurde ich zum besten Spieler des Turniers gekrönt, ich wusste daher, dass es an der Zeit war, meinen Verein zu verlassen und mal bei „Team Wien“ anzuklopfen, weil ich wirklich unbedingt international spielen will und mich vor allem interessiert, wie es eine Mannschaft schafft, die von unten kommt und danach oben alles dagewesene in den Schatten stellt, uns alle mit leeren Händen dastehen lässt.

Mir ist es seit diesem Zeitpunkt nicht mehr aus dem Kopf gegangen, dass ich dort unbedingt mal vorbeischauen muss.

Als sich bei unserem Training nach Vorarlberg überhaupt nichts änderte, ein Heimturnier abgesagt wurde und weitere 2 Turnierfahrten ebenfalls ins Wasser fielen, hatte ich die Nase vom MHSC wirklich voll.

Wir hatten damals Sommerpause, die anderen Mannschaften jedoch trainierten munter und fleißig weiter. Nach der Sommerpause rief ich unseren ehemaligen Kapitän Andy Fuler einfach mal spaßhalber an und fragte, wie es denn bei ihm läuft und ob er mich nicht endlich mal bei seinem Trainer empfiehlt. Er sagte viele Dinge wie zum Beispiel 3 Mal wöchentlich Training, Panther Cup, internationale Turniere (2012 war Barcelona dran) und so weiter und so fort. Spätestens nach diesem Telefonat wusste ich, wo ich hingehöre, denn Team Wien ist für Special Olympics Österreich gemeldet und somit auch das eigentliche Nationalteam unseres Staates.

Andy bestand darauf, dass ich mir das wirklich ernsthaft überlege, meinen Verein im Stich zu lassen (wo ich wirklich einer der besten war) und zu seinem Team ging. Er bot mir an, ein Probetraining mitzumachen, wo ich dann auch erschien.

Über die Forderung Andys brauche ich nicht mehr viele Worte verlieren, es war für mich ein mächtiger Schritt nach vorne, denn die Betreuung der Trainer auf Turnieren habe ich bereits gesehen und da können wirklich alle anderen im wahrsten Sinne des Wortes einpacken. Für mich stand ab dem Zeitpunkt wo wir beim ersten Gespräch aufgelegt hatten fest, dass dies meine Zukunft war, denn ich hatte mit meinem großen Bruder Niki ebenfalls darüber geredet, was besser wäre. Bei einem Verein zu bleiben, den ich liebte, oder lieber in einem neuen Verein auch international spiele. Die Antwort war als Außenstehender natürlich leicht zu erraten.

Nach dem ersten Probetraining war ich dementsprechend K.O. denn diese Mannschaft trainiert auf eine ganz spezielle Weise und ich, der 2 Monate Sommerpause genoss und ein Training auf diese Art absolut nicht gewohnt war, war konditionell um einiges hinten. Das wiederum spornte mich an, auch privat Laufen zu gehen, sowie meinen Tabakkonsum gleich mal um die Hälfte einzuschränken. So witzig wie das klingt, es hilft tatsächlich.

Wie auch immer, gleich nach dem ersten Training habe ich meinen, mittlerweile Extrainer, Michi angerufen und mit ihm eine halbe Stunde geredet, was meine Beweggründe waren, warum es beim MHSC nicht so läuft und wie die Zukunft aussehen könnte. Michi hatte am darauffolgenden Tag seinen letzten Tag als Trainer beim MHSC getätigt, wir hatten also quasi gemeinsam den Verein verlassen. Mir hat es in dem Moment um den MHSC ehrlich gesagt leidgetan, dass ich sie verließ, als sie es am allerwenigsten brauchten. Jedoch muss ich dazusagen, dass ich, wenn ich gegen sie spiele, niemals einen Torjubel loslassen werde, das bin ich diesem Verein letztendlich schuldig geblieben. Denn, hätte ich meine Karriere nicht dort begonnen, würde ich heute nicht da stehen, wo ich bin.

Warum sich gar so viele über meinen Wechsel aufgeregt hatten und mir seither meist negativ gegenüber sind, ist mir unerklärlich, weil ich habe mich für mein Wohl entschlossen, auch wenn die ehemaligen Vereinskollegen weiterhin wirklich gute Freunde von mir sein werden, egal was hinterrücks geredet wird.

Andere wiederum wollen mir natürlich (wie war es anders zu erwarten) zu „Team Wien“ folgen, hier muss ich aber sagen: liebe Leute, kümmerts euch um den MHSC, machts euch endlich einen Namen dort, der Beste ist jetzt weg, es geht um meinen Nachfolger. Wenn ihr jetzt alle miteinander den Verein verlassen wollt, wird der Verein daran zerbrechen. Bitte macht das nicht – tut das für mich, für Michi, für den MHSC und für den gesamten österreichischen Behindertensport. Holt euch endlich wieder einen Turniersieg und wer weiß, vielleicht schlagt ihr uns ebenfalls eines Tages. Solche Wunder gibt es nun mal im Sport, dass David Goliath besiegt, wie bei Cordoba eben. Und wer weiß, vielleicht kann ich den einen oder anderen eines Tages tatsächlich zum großen internationalen Sprung helfen, doch jetzt ist die Zeit dazu noch nicht reif.