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Hauptsache Olympia - Kapitel 9

Kapitel 9: die Fans (oder: warum bin ich Rapid – Fan)

Dieser Abschnitt meiner Geschichte bringt uns zurück zur Zeit der EM 1988. Zwar geht es nicht um internationales, aber ich weiß noch sehr genau, wie meine Brüder und ich zu Fans wurden. Meine beiden Brüder wollten (aus mir unerklärlichen Gründen) unbedingt Austria Fans werden, mein Vater und mein Onkel Peter waren Anhänger von Tirol und mein anderer Onkel Fan von Sturm Graz. Ich sagte damals als ich gefragt wurde, aus einer Laune heraus, dass der Sportklub Wien (hey, wenigstens die Heimatstadt) meine Lieblinge waren. Als der Sportklub in der folgenden Saison abstieg (und seither kurioserweise nie mehr in der Bundesliga spielte), sagte ich aus heiterem Himmel heraus, dass ich ab nun zu Rapid halten werde.

Niki (der die grünen heute noch tief in seinem Herzen verachtet, heute wie damals) meinte gleich, dass ich das jetzt nur sage, weil Rapid erster ist, aber dem war nicht so, denn mir gefielen ihre Dressen (Grün war immer schon meine Lieblingsfarbe), außerdem spielte Mr. Cordoba, Hans Krankl, persönlich dort. Niki hat auch gemeint, dass ich irgendwann mal wieder Fan von einem anderen Verein sein werde, aber ich versprach ihm, dass ich bei Rapid bleiben werde, egal ob sie irgendwann mal absteigen oder gerade an der Tabellenspitze stehen. Hey Niki, siehst du, ich hielt tatsächlich Wort mit dir!

Wie das Schicksal es wollte, hörte kurz darauf Hans Krankl auf zu kicken und Rapid schlitterte in ein Formtief. Oh, was musste ich mir zu dieser Zeit alles von meiner Verwandtschaft anhören, allen voran meine beiden Brüder, denn die Austria war lange am ersten Platz. Bis eines Tages meine Mutter völlig aufgeregt zu mir kam und sagte „Werner, Rapid ist erster!“. Ich hatte tatsächlich nicht registriert, was sie mir damals sagte, denn Woche für Woche hörte ich immer nur „Austria ist erster!“. Erst abends beim Blick auf die Tabelle im ORF wusste ich, dass ich meine Mutter damals richtig verstanden habe. Geredet wurde an jenem Abend übrigens kein Wort, ich habe es unterlassen, mich offen darüber zu freuen oder gar Witze drüber zu reißen. Erstens war ich der kleinste und schwächste in der Familie, Raufereien wollte ich unter keinen Umständen provozieren, und zweitens freute ich mich im Stillen, denn in diesem Moment wusste ich, was es heißt hinter einer Mannschaft zu stehen, egal was auch passiert und wie lange es dauert, bis es wieder bergauf geht. Rapid hat mir das gezeigt und darum bin ich bis heute ein Fan der Hütteldorfer.

Mein erster Besuch im Hanappistadion war glaube ich im Jahre 1998, wo Rapid gegen Sturm Graz spielte (und 3:2 gewann) und zwar gleich auf der Westtribüne, die bekanntlich ausnahmslos aus Dauerkartenbesitzern besteht. Da mein Bruder Robert aber eine Freundin hatte, die Karten besaß, durfte ich mit ihr mitgehen. Die Stimmung (noch dazu gleich bei den ärgsten Fans) war schlicht und einfach überragend und es dauerte keine 2 Minuten, bis ich mit den anderen Fans mitsang.

Heute gehe ich (dank Sponsorkarten meines Vaters) ab und zu mal auf ein Spiel der Grünen (zwar nur auf der Südtribüne, aber es ist trotzdem super) und ich muss zugeben: St. Hanappi ist für mich tatsächlich eine Kathedrale. Allerdings ist der Vergleich mit einem Gotteshaus von sehr weit hergeholt, denn dies ist eigentlich der Ort, wo ich meine sonst manchmal zu ruhige Art vergessen lasse und einfach meinen ganzen Frust loslasse. Die Wörter, die dort aus meinen Mund kommen, hört man sonst nur bei „Call of Duty Online“ und ich möchte darauf bei Gott nicht näher eingehen.

Worauf ich aber sehr wohl eingehen möchte ist, dass wir Rapid – Fans zu den gewalttätigsten überhaupt gehören, wovon ich mich aber schon von Anfang an distanzierte. Natürlich schimpfe ich gegnerische Fans verbal (manchmal schäme ich mich dafür). Aber die Fäuste sind bei mir deswegen noch nie geflogen (nicht mal in der Familie). Ich verstehe diese Art von „Fan sein“ wirklich nicht, die den Platz stürmen oder in Eisenstadt Sitzbänke zerlegen, sowie in Thessaloniki Pyrotechnik in die gegnerische Zone werfen. Das hat mit dem Sport und dem Thema „Wahrer Fan“ überhaupt nichts zu tun. Was ich aber sehr wohl respektiere ist, dass die Ultras ganz einfach einen Sing- oder Sitzstreik starten, wenn es mit der Mannschaft monatelang nicht läuft und das Präsidium absolut stur bleibt. Streiks sind bekanntlich ein sehr gutes Druckmittel auf die Spieler und es ist gut so. Aber von Gewalt, egal in welcher Art und Weise ausgeführt, das hat mit Macht überhaupt nichts gemeinsam. Hört auf eure eigenen Leute, wir haben nicht umsonst bereits 2 Geisterspiele aufgebrummt bekommen – und das, nur weil ein Bruchteil von unseren Leuten glaubt, dass sie zu Gott mutieren müssen. Danke für eure Aufmerksamkeit. Übrigens: danke, dass ihr es tatsächlich geschafft habt, unseren Andy Marek als Fansprecher loszuwerden, das werde ich euch niemals verzeihen, denn der Andy hat das Hanappi erst zu dem gemacht, was es ist.

Nun zu einem etwas lächerlicherem Thema, nämlich dem Patriotismus und der österreichischen Nationalmannschaft. Wir genießen ja den Sonderstatus Verlierer gegen die „Friseurinseln“ (entschuldige die Beleidigung). Natürlich fiebere ich auch hier mit demselben Elan mit, wie bei den Grünen, aber die Erfolge lassen hier wirklich zu wünschen übrig. Ich denke, wenn es die Mannschaft schafft, nach Brasilien 2014 zu fahren, haben sie meinen endgültigen Respekt erlangt. Alles was davor ist, ist einfach jahrelange Aufbauarbeit (mit welcher viel zu spät begonnen wurde), aber Brasilien muss einfach ein Ziel für jeden einzelnen Kicker in Österreich – oder eigentlich weltweit – sein. Ich persönlich würde meine rechte Hand dafür geben, nur 1 Minute mitspielen zu dürfen, liebe Nationalspieler: das ist kein Witz! Zerreißt euch endlich Herrgott nochmal auf dem Spielfeld!